Margarita , Maxima (Teil 03)
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TEIL 3
Wahnsinn
An den Abenden war es mir zur Gewohnheit geworden Eiswürfel zu vernichten. Ich ertränkte ihren Glanz in rostbraunem Portwein und leerte unbarmherzig nach, bis sie in der warmen Brühe verdämmerten. Davor schwenkte ich sie im Kreis und sinnierte fassungslos über Wohl und Wehe, Gedeih und Verderb, namentlich über mein Schicksal. Von Margarita hatte ich seitdem nichts mehr gehört, sie musste wohl meinen Kontakt blockiert haben, da auch auf meine zahllosen Versuche nicht das kleinste Lebenszeichen kam. Maxima und Andrea konnte ich nicht kontaktieren, da ich von ihnen nichts wusste, als dass sie die Freunde von Margarita waren. Von Mistress Amixas Seite war ich nach wie vor verbannt, die Zeit zwischen meinen Anmeldeversuchen wurde immer länger und meine Hoffnung immer geringer. Ich war tatsächlich das Schicksal dieser drei Universen: Erst hatte ich mich aufgebläht zu einem roten Riesen und damit alle ins Verderben gestürzt und jetzt war ich zu einem kleinen Zwerg zusammengeschrumpft. Kein Strahlen, kein Licht, keine Wärme, keine Zugehörigkeit.
Wiederholt hatte ich in meiner Verzweiflung Mails an den Administrator der Internetseite von Mistress Amixa geschrieben. Erst schrieb ich förmlich in aller Ausführlichkeit über die technische Seite meines Problems. Als ich darauf keine Antwort bekam, schickte ich mein Mail abermals mit der Bitte um Kenntnisnahme und dem Hinweis, dass die erste Version vielleicht nicht angekommen sei. Aber ein zweites Mal konnte das Mail nicht verloren gegangen sein. Also bat ich um Weiterleitung meiner Kontaktaufnahme an Mistress Amixa und dass ich mich gerne ihr persönlich erklären würde.
Abermals kein Lebenszeichen.
Also begann ich meine verzweifelten Rechtfertigungen an den Administrator zu schicken. Vielleicht würden sie im Äther verhallen, aber was gab es schon zu verlieren?
Ich schrieb über die Liebe und die zwei Herzen in meiner Brust, über die Dämmerung in meinem Leben und die Gestirne und wie sie sich mit ihrer Anziehung die Waage halten, aber auch gefährlich werden können. Ich schrieb, dass ich zuvor noch nie so vollendete Erotik erlebt habe und dass ich wünschte ich wäre nie auf ihre Seite gestossen. Ich schrieb auch, dass ich noch nie solch erfüllende Liebe wie von Margarita erfahren habe und dass ich wünschte ich hätte meine große Liebe nicht gleich wieder verspielt. Und dass ich Unglücksmensch das Pech hatte, dass mir beides gleichzeitig widerfuhr und ich weder die Voraussicht noch die Kraft noch die Disziplin besessen hatte auf eines davon zu verzichten. Und ich war schuldig, zweifellos. Und gleichzeitig war ich der Spielball von Kräften, die stärker waren als ich und sie hatten das größte Glück meines Lebens in das größte Unglück verkehrt.
Eines anderen Tages schrieb ich:
Sehr geehrter Administrator,
verehrte Mistress Amixa.
Irgendwann muss doch auch der Schuldigste die Möglichkeit bekommen, seine Tat auszusühnen? Ich flehe Sie an mir eine Chance zu geben. Nur ein Zeichen, dass sie zumindest mein Mail erhalten und meine Zeilen gelesen haben. Mehr verlange ich nicht. Nur die vage Möglichkeit der Sühne, der Entschuldigung, vielleicht einer teilweisen Wiedergutmachung? Nein, ein Lebenszeichen würde schon reichen. Bitte.
Je länger die Abende und je wärmer der Portwein desto weniger Hemmungen hatte ich meinen Liebeskummer an den Administrator zu senden. Mir war mittlerweile klar, dass von dort keine Antworten zu erwarten waren, aber es war noch immer besser als meine einsame Verzweiflung für mich zu behalten:
Bitte, Maxima, wenn du keinen Kontakt willst, ok. Aber bitte richte Margarita aus, dass ich unbedingt mit ihr sprechen muss. Es kann so nicht weitergehen!!!
Keine Ahnung, ob überhaupt noch jemand meine Geschichte verfolgt oder aus Tristesse schon abgesprungen ist. Ich kann euch sagen, ich wäre auch fast abgesprungen. Wahnsinn, wenn ich zurückdenke, was für eine miserable Zeit das war! Wie ein Besessener überprüfte ich unablässig meinen Mailaccount, in der Hoffnung auf die eine Nachricht, die mein Leben aus dem Sumpf fischen würde. Von der Arbeit nach Hause machte ich elendslange Umwege, nur um an Margaritas Haus vorbeizugehen. Ich schätzte an den erleuchteten Fenstern ab, ob sie zuhause war. War alles hell erleuchtet, schloß ich daraus, dass sie nicht alleine war. War alles dunkel, schloß ich das nämliche.
Eines Tages kam tatsächlich ein Mail. Es war von Andrea:
Hallo, Alessandro!
Ich habe mitbekommen, was passiert ist, ich bin der Administrator. Keine schöne Sache, aber ich mache dir keinen Vorwurf. Zwei Frauen sind eben eine zuviel. Meld dich, bevor dir die Decke auf den Kopf fällt.
Andrea
Andrea war der Administrator!? Hätte ich mir denken können. Obwohl, wieder auch nicht. Was wusste ich denn schon von Andrea? Dass er Filmproduzent war. Punkt. Also so gut wie nichts. Sei’s drum, dann hab ich halt die Hose vor ihm runtergelassen. Na und?!
Also setzte ich mich gleich hin und antwortete, dass ich mich über seine Nachricht freute und ihn gern treffen wolle.
Andrea
Ich hatte vergessen wie phlegmatisch er sein konnte. In mir schoppte sich das Unglück der letzten Wochen über eine Litanei an Fragen, die da waren: Wieso hast du mir cevizli escort geschrieben? Wie geht es Margarita? Hat sie wieder wen? Redet sie von mir? Habe ich noch eine Chance? Du weißt von meinem Account bei Maxima und gehst trotzdem mit mir auf ein Bier?
Ich konnte mit all diesen drängenden Fragen nicht einfach so rausplatzen, einige würde ich mich gar nicht zu stellen getrauen und musste mir eine Antwort zwischen den Zeilen suchen. Andrea lebte in seiner kindlichen Unbedarftheit, die kein Drängen und keine Versäumnisse zu kennen schien. Seine Bewegungen erinnerten mich an die Bedächtigkeit eines Faultiers. Unsere inneren Uhren ließen sich nicht abgleichen. Meine Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt. Sogar sein Bierschaum schien langsamer in sich zusammenzufallen als meiner.
„Dich hat das alles ziemlich mitgenommen, nicht wahr?” eröffnete er dann endlich das Gespräch.
Ich nickte. Das könne er laut sagen. Ich bedankte mich für seine Einladung, das bedeute mir viel. Ob er was von Margarita wisse?
„Nein. Die Beiden haben keinen Kontakt, seit Margarita deinen Account bei Maxi gesehen hat.”
Er sprach so unbedarft darüber, als wäre Maxi irgendeine entfernte Bekannte, und dass er sie bei einem Spitznamen nannte unterstrich das noch.
Ich erwiderte, dass es mir leid tue.
„Ach, mach dir keinen Kopf. Ich lebe längst damit. Du bist einer von vielen. Nur ich bin der hinter dem Schirm. Aber ehrlich: Was hat das schon alles für eine Bedeutung?”
„Margarita und Maxima sind zerstritten?”
„Ja, Margarita war ausser sich. Sie hat ihr die Freundschaft aufgekündigt.”
„Sie hat also gar nicht gewusst, was Maxima macht?”
„Doch, hat sie natürlich. Aber bisher hat sie keine Freunde geklaut.”
Maxima hat mich geklaut, so konnte man es auch sehen.
„Würdest du Maxima ausrichten, dass es mir leid tut? Einfach nur das?”
Das Faultier nickte bedächtig.
„Dann weißt du also nichts über Margarita?”, versuchte ich es nochmal.
„Nein, tut mir leid. Willst du was rauchen?”
Ich war verdutzt: „Hier im Lokal?”
„Nee, wir setzen uns da hinten auf die Parkbank.”
Ich nickte.
Er hatte eine Tüte vorbereitet, entzündete sie und reichte sie mir nach zwei kräftigen Zügen. Ich nahm sie entgegen und zog daran. Es erzeugte ein wohlig flaues Gefühl in meinem Kopf. Alles wurde auf eine gute Art belanglos. Als würde man von sich selbst abrücken. Was waren wir schon im Vergleich zur Unermesslichkeit des Universums? Mit dem Kopf im Nacken sah ich in die Sterne und spürte zum ersten Mal seit den letzten harten Wochen etwas wie Erleichterung. Als könne ich meinen monomanischen Blick erstmals von meiner Suche nach Liebe lösen und ihn auf die Natur lenken, aus der wir kommen und in die wir gehen. Erstmals rückte mein Schicksal etwas von mir ab und gab meinen Blick frei auf andere Sterne, nach denen ich greifen konnte.
„Danke”, sagte ich in das geduldige Schweigen von Andrea hinein, und nochmals: „Danke.”
Statt etwas zu erwidern, blies er geräuschvoll den Rauch aus wie nach großer Erschöpfung. Er besaß die Fähigkeit wortlos Anteil zu nehmen. Andrea war meine Lichtung nach einer zehrenden Waldwanderung.
„Ich rate dir”, begann er in eine lange, vertraute Stille hinein „lass die Finger von Maxima. Ist sie wirklich das, was du suchst?”
Dann wieder Stille. Er hatte keinerlei Drang sie zu füllen, als wäre er in beiden akustischen Zuständen gleich zuhause. Vielleicht spürte er auch instinktiv wie langsam meine Gedanken waren. Auch in seinen Botschaften war er in beiden Gegensätzen mühelos zuhause: Manches war eine unverhohlene Drohung, manches eine freundliche Zuwendung.
„Kennst du Margaritas Geschichte?” Er blickte mich unverwandt an.
„Welche Gechichte?”, gab ich ratlos zurück. Auf einmal fühlte ich mich neben dem plötzlich so selbstbewussten Kiffer wie ein ahnungsloser Schuljunge.
„Sie hat dir nie von ihrer vorigen Beziehung erzählt?” Er rückte sich an seinem Platz zurecht, saß aufrechter und blickte auf mich herab: „Habt ihr eigentlich zwischendrin auch mal geredet?”
„Ja, schon…”, stammelte ich, während ich mich tatsächlich nicht erinnern konnte, dass wir je über ihre Vergangenheit sprachen. „Was ist damit?”, überspielte ich meine Unsicherheit.
Er aber ließ sich gegen die Rückenlehne sinken, der ganze energetische Anflug war verpufft und er gab nur knapp zurück: „Wenn sie dir das noch nicht erzählt hat, musst du sie wohl selber fragen.”
Ich war ratlos. Ich war nicht so vertraut mit ihm, dass ich ihn weiter triezen wollte, versuchte es aber doch nochmal zaghaft:
„Jetzt sag schon?” Es klang eher wie eine Bitte als eine Aufforderung und erntete auch nur unergründliches Schweigen.
„Wie soll ich sie fragen? Sie antwortet nicht auf meine Kontaktversuche.”
Ich war ärgerlich, dass er mich so präpotent zappeln ließ.
„Ich weiß von Maxima wieviel ihr das mit dir bedeutet hat und wie verletzt sie ist. Ich will nur helfen. Und vielleicht besteht dann auch die Chance, dass sich die beiden wieder versöhnen. Wir sitzen alle im selben Boot, Mann!”
Er nahm einen tiefen Zug, hielt den Rauch in der Lunge als würde çamlıca escort er ihn dort verstauen.
„Danke. Wie willst du das machen?”
„Danke nicht mir. Ich kenne dich kaum, ich mache es für Maxima und ihre Freundin”, erwiderte er fast barsch und blies den Rauch wie ein feuerspeiender Drache in meine Richtung, dass ich wieder hin- und hergeworfen war zwischen Zuneigung und Ablehnung zu diesem unvorhersagbaren Charakter.
„Ich werde mit ihr reden. Mal sehen, was sich machen lässt…”
Margarita
Ich wollte mich nicht länger wie ein Schuljunge fühlen und ich wollte nicht länger auf die passende Sternenkonstellation warten. Ich wollte etwas tun, mein Schicksal in die Hand nehmen. Hoffnung mit Selbstbestimmung vertauschen.
So ging ich nachmittags nicht nach Hause sondern zu Fuß zu Margaritas Wohnung. Auf dem Weg dahin focht ich einen Kampf zwischen Selbstzweifeln und Heroismus und ich wäre mehrfach umgekehrt, wenn ich mir nicht geschworen hätte einen Fuß vor den anderen zu setzen, komme was wolle. So kam ich bei ihr zu Hause an und drückte zaghaft die Klingel. Aber immerhin, ich drückte sie. Erst so, dass sie nur einen kleinen Pieps von sich gab, dann etwas länger und zuletzt so lange, dass sie jedem in jeder Lebenslage eine Antwort abnötigen würde. Ich wartete im Hauseingang gegenüber bis es dunkel wurde. Dann trollte ich mich von dannen. Am Heimweg wurde ich geplagt von schwülstigen Phantasien über Margaritas neues und erfülltes Leben, das offenbar nicht mal mehr ihr altes Zuhause miteinschloss.
Doch ich ließ mich nicht beirren. Ich war selbst verwundert über meine Entschlossenheit und trottete Tag für Tag nach der Arbeit an mein aussichtsloses Ziel, verließ es noch mutloser als zuvor, um am nächsten Tag wiederzukommen. Ich lebte von der Phantasie. Ich blickte in die Sternennacht und wusste, dass ich keinen anderen wollte als diesen einen. Auch wenn meine Versuche das Näheste waren, das ich ihm je kommen konnte. Aber Manches durfte einfach nicht unversucht bleiben. Also ging ich am Ende meiner Observation noch ein letztes Mal hin, um im Vorbeigehen den Klingelknopf zu drücken, als eine symbolische Verabschiedung und ohne Antwort zu erwarten. Ich steckte meine Hände, die ich jetzt nicht mehr brauchen würde, in die Taschen, zog die Schultern hoch als Rüstzeug für meinen einsamen, dunklen Heimweg, an dessen Ende der schwarze Moloch meiner leeren Wohnung wartete.
Da hörte ich hinter mir ein knarzendes, elektronisches Geräusch, das in ein Rauschen überging und elektronisch verzerrte Verwunderung ausspuckte:
„Ja, bitte?”
Mich durchfuhr es wie ein Blitz in einem Moment, an dem ich am wenigsten damit gerechnet hatte. Ich machte am Absatz kehrt und stiefelte hektisch zu dem in das Mauerwerk eingelassenen Lautsprecher. Beklommen brachte ich meinen Mund an das Metallgitter, als hinge Wohl und Wehe davon ab und fragte zurück:
„Hallo!?”
„Ja, bitte?”, tönte es abermals aus dem Gerät, diesmal bestimmter, schmissiger.
„Margarita? Ich bin es. Alessandro. Ich muss mit dir reden. Nur einen Moment, bitte.”
Stille.
„Margarita? Bist du noch da? Lass mich erklären, bitte. Lass es uns nicht so beenden.”
Stille.
Dann plötzlich das gebieterische Summen des Türöffners, das mich ebenso überraschte wie vorher die Gegensprechanlage. Hektisch warf ich mich gegen die Tür, um die einmalige Gelegenheit nicht zu verpassen und trat voll Verwunderung in das altbekannte Stiegenhaus ein, das wir vor Ewigkeiten mit unserer Heiterkeit erfüllt hatten.
Zwei Stockwerke später stand ich ihr schnaufend gegenüber: Margarita. Sie sah aus wie immer, ihr Gesichtsausdruck verriet jedoch keinerlei Vertraulichkeit. Sie bat mich nicht herein. Also legte ich gleich im Stiegenhaus los: „Ich weiß wie sehr ich dich gekränkt habe. Das war das letzte, was ich wollte. Ich bereue es jeden Tag. Ich habe auch keine Entschuldigung für mein Verhalten, es war einfach bescheuert. Ich würde alles tun, um es ungeschehen zu machen. Ich weiß, dass das nicht geht, aber lass uns doch zumindest darüber reden?”
Sie starrte mich versteinert an: „Und wozu?”
Mehr kam nicht und ich war zu konsterniert für eine eloquente Antwort: „Ist dir das denn gar nichts wert, was wir hatten? Du warst das Schönste in meinem Leben.”
„Du auch. Bis du es nicht mehr warst.”
Sie zog sich zurück, wollte das Gespräch beenden.
„Weißt du nicht mehr? Die Nähe, die wir hatten? Hat dir das nichts bedeutet? Willst du das einfach so wegwerfen?”
„Ich werfe gar nichts weg. Du hast uns weggeworfen. Offenbar war ich dir nicht genug.”
Sie brach abrupt ab, riß sich an der Kandare als die Wut kam. Ich hasste und liebte sie für diese Eigenschaft.
„Du warst mehr als genug! Ich war im siebten Himmel und wollte alles auf einmal. Ich habe übers Ziel hinausgeschossen, ich war ein übermütiger Junge, der die Kontrolle verloren hat!”
Sie beäugte mich mit leicht abgewandtem Kopf, aus Augen zu Schlitzen zusammengekniffen.
„… ein kleiner Junge. Dafür hast du aber so ziemlich alles dem Erdboden gleich gemacht.”
Ich spürte im Streit unsere Verbindung. Das war das Netz, in das ich mich fallen ließ:
„Gib çakmak escort mir eine Chance, eine klitzekleine …”, bat ich mit erstickter Stimme. Die Trauer und Verzweiflung der letzten Wochen überfluteten mich und ich verschloß meine Kehle, um nicht überzugehen.
„Ich weiß nicht …”, begann sie und zog sich hinter den Türspalt zurück. Es lag ein leichtes Zögern im Schließen der Tür und etwas Unbestimmbares in ihrem Gesicht, das mich erleichterte, auch wenn ich allein mit meiner bedrückenden Ungewißheit das Stiegenhaus hinabstieg und mich auf einen dunklen, einsamen Heimweg machte. Diesmal trug ich jedoch einen Funken Hoffnung in mir: In ihr Zögern wollte ich meinen Fuß stellen. Mit einem Mal schienen die Sterne zum Greifen nahe.
Warten, Hoffen
Zurück in der Stille meiner Wohnung war ich zu Warten und Hoffen verdammt. Hatte Andrea bereits mit ihr geredet, sodass sie gezögert hatte? Was hatte er gemeint mit der Andeutung zu ihrer vorigen Beziehung? Tatsächlich fiel mir auf, dass wir nie darüber geredet hatten, auch über meine nicht. Ihre Vergangenheit war ein blinder Fleck, aber vielleicht fand ich gerade das anziehend. Sie brachte keine schwierigen Vorerfahrungen mit, keine unmöglichen Freunde und ihre Eltern hatte sie mir noch nicht mal vorgestellt. Nichts störte unsere luftige, leichte Zweisamkeit. Hatte ich mich täuschen lassen? Aber sie hatte mir erzählt, dass sie in einem kleinen Ort nahe München aufwuchs, dass sie es als Kind liebte mit der Liliputbahn zu fahren. Dass sie unbedingt Lokführerin werden wollte. Und ihr Bruder Feuerwehrmann, so wie der Vater. War das alles nur Camouflage? Camouflage wovon? Welche dunklen Seiten ihrer Vergangenheit konnte es geben, von denen ich absolut nichts mitbekommen hätte? Nicht mal gelegentlich entdeckt als Misslaunigkeit, Unberechenbarkeit, Widerspenstigkeit … Widerspenstigkeit, die gab es. Ich hatte immer gedacht sie lässt mich nicht ran, weil sie ultrakonservative Vorstellungen hat. Sollte da etwas anderes gewesen sein?
So oder ähnlich verstieg ich mich in Mutmaßungen und Hirngespinste, für die ich nicht die geringste Chance auf Überprüfung hatte. Also tat ich das Einzige, was mir zu tun blieb: Nichts.
Bis eines Tages ein Paket ins Haus schneite, das ich nicht bestellt hatte. Der Postbote verlangte das Porto von mir, das war mir überhaupt noch nie im Leben passiert, dass ein Paket per Nachnahme an mich geschickt worden war. Konsterniert suchte ich unter den Augen des wartenden Postboten sämtliche Taschen nach Bargeld ab. Ich murmelte einen Gruß und schloß rasch die Tür, um das geheimnisvolle Etwas zu inspizieren: Der Absender war eine Firma aus Deutschland, deren Namen mir nichts sagte. Also konnte ich dort auch nichts bestellt haben, dachte ich. Welche Firma würde mir etwas unaufgefordert zusenden? Ich holte eine Schere, durchtrennte den breiten braunen Tixostreifen und klappte es auf. Drinnen lag zuoberst ein Rechnungszettel, ich nahm ihn heraus und erstarrte bei dem Betrag: Siebenhundertachtundsechzig Euro! Was zum Teufel sollte das sein?
Darunter lag in Plastikfolie eingeschweist ein Artikel, ich machte Drähte oder Kabel aus. Ich zog es heraus, riß die Folie in zwei Hälften und zog das Gebilde heraus. Es waren drei kabelartige Schlingen, die an einer metallenen Platte mit einem rohrartigen Aufsatz festgemacht waren. Da dämmerte es mir: Das war ein Keuschheitsgürtel. Offenbar Fort Nox unter den Dingern. Ich lüpfte die Schachtel und fand noch einen Zettel. In handgeschriebenen, großen Lettern stand geschrieben:
Wenn er nicht passt, kannst du ihn umtauschen.
Wenn du ihn trägst, kannst du mich treffen.
M.
Ein Feuerwerk an Emotionen lief in mir ab, Verblüffung, Freude, Ungläubigkeit, Entrüstung, Skepsis. Aber über allem lag Zustimmung. Ich nahm das Ding in die Hand, entdeckte den Mechanismus, drehte, hebelte und drückte, bis ich ihn nach Kurzem verstanden hatte, betastete den Gürtel, der um die Hüften liegen sollte und einen dritten im Schritt. Ich nahm das fette Rohr in die Hand, das sich dick und kühl anfühlte, makellos polierter Stahl, hart und unnachgiebig. Mit zitternden Fingern nestelte ich an meinem Hosenknopf und schob Hose und Unterhose in einem Schwung nach unten, schlüpfte heraus und stieg in das unförmige Ding. Als ich ihn hineintun wollte, war er bereits angeschwollen. Für eine Erektion war das Loch bereits zu eng. Ich watschelte mit dem Ding in der Hand in die Küche und bespritzte ihn mit kaltem Wasser. Es half nicht. Das gefiel ihm nur noch mehr. Ich war verärgert. Also legte ich mir das Ding um und passte erstmals die Hüftlänge an. Dafür mussten Ösen unter der Metallplatte gewechselt werden, was fummelig war. Fummelig genug, dass er sich in der Zwischenzeit wieder abkühlte. Ich nutzte die Gunst der Stunde und quetschte ihn in das gebogene Metallrohr. Diesmal half das Wasser und er glitt hinein. Dabei erregte er sich sogleich wieder, aber die Erektion wurde von dem Metall erstickt wie von einer eisernen Hand. Ich fädelte das Vorhängeschloss durch den Metallbügel. Dann suchte ich in der Plastikverpackung nach dem Schlüssel. Die war leer. Ich schaute in der Kartonschachtel. Ebenso leer. Er musste rausgefallen sein, nach dem Schloss zu urteilen musste er winzig sein. Ich suchte am Boden. Nichts. Unter dem Sofa. Nichts. War ich am Klo gewesen? Nichts. Ich räumte die Unordnung am Tisch beiseite, öffnete den Boden des Kartons. Nichts. Ich suchte den Boden des gesamten Zimmers ab. Ich nahm ihren Zettel in die Hand, ob er daraufgeklebt war. Nichts. Kein Schlüssel. Da dämmerte mir, dass ich auch keinen finden sollte.
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